Der Taufengel von St. Laurentius ist eine Besonderheit unter den Taufengeln. Das Unikat eines Bayreuther Bildhauers weicht in mancher Hinsicht von anderen Taufengeln ab. Seine Leichtigkeit und sein schelmischer Blick verweisen auf die Leichtigkeit, die das Leben eines getauften Christen haben kann.
Der Taufengel – Ein Schnäppchen aus der Werkstatt Fischer in Bayreuth
Der Taufengel von St. Laurentius stammt aus dem Jahr 1710/11. Gefertigt wurde er vom Bayreuther Bildhauer Johann Caspar Fischer. Die Bemalung stammt vom Bayreuther Maler Johann Joachim Kolb. Heute ist der Taufengel eine unersetzbare Kostbarkeit. 1710/11 war er vergleichsweise günstig: 6 Gulden 36 Kreuzer erhielt Fischer, 12 Gulden 36 Kreuzer Kolb. Zwei Gulden entsprachen damals in etwa dem Tageslohn eines Handwerkmeisters. Dennoch ist der Taufengel keine Stangenwaren. Er ist der einzige bekannte Taufengel aus der Werkstatt von Johann Caspar Fischer. Das macht ihn kunsthistorisch besonders wertvoll. Künstlerisch bedeutend ist der Taufengel, weil an ihm manches anders ist im Vergleich zu dem, was für Taufengel typisch ist.
Der Taufengel von St. Laurentius – unnatürlich leicht
Taufengel kamen im späten 17. Jahrhundert in Mode. Der älteste bekannte Taufengel in Franken stammt aus dem Jahr 1680. Taufengel gibt es in unterschiedlichen Ausführungen: Manche Taufengel wurden im Kirchenraum aufgehängt und konnten mit einem Seilzug von der Decke herabgelassen werden. Andere Taufengel wurden als stehende oder kniende Figuren gestaltet, die einen festen Ort in der Kirche hatten.
Der Taufengel von St. Laurentius ist zwar fest auf seinem Podest verankert, dennoch scheint er zu schweben. Durch das wehende Gewand und das angewinkelte linke Bein erweckt der Bildhauer den Eindruck, als würde der Engel fliegen. Die Engelsfigur steht so leichtfüßig auf ihrem Podest, dass Bildhauer Fischer das Kleid der Engelsfigur als weiteres Standbein nutzen musste, damit die Figur ausreichend Halt hat.
Alles an der Engelsfigur drückt Leichtigkeit aus. Auch die Taufschale, die der Engel über seinem Kopf hält, belastet ihn nicht. Nur drei Finger jeder Hand braucht der Engel, um die Taufschale zu halten. Die Taufschale liegt ihm lose in den Fingern. Sein Griff ist so locker, dass er unnatürlich wirkt. Die Ringfinger und kleinen Finger sind sogar abgewinkelt. Alles zeigt: Die Schale ist ein Leichtgewicht, das der Engel kaum festzuhalten braucht.
Diese Leichtigkeit macht den Taufengel von St. Laurentius zu einer Besonderheit. Andere Taufengel gehen unter der Last der Taufschale auf die Knie. Viele Taufengel haben einen ernsten und beschwerten Geschichtsausdruck. Der Taufengel von St. Laurentius hat dagegen einen sehr freundlichen und leicht verschmitzten Gesichtsausdruck. An seinen Lippen und Wangen ist ein leichtes Grinsen zu erkennen. Ein Grinsen dürfte auch der Bildhauer gehabt haben, als er den Engel schuf. Denn der Taufengel ist deutlich erkennbar als Frau gestaltet: Während die ungewöhnlich kurzen Haare und das Gesicht neutral gestaltet sind, kann man an Brust und Taille deutlich erkennen, dass es sich um eine weibliche Figur handelt. Der vorgestreckte Bauch und die hohe Taille deuten vielleicht sogar eine Schwangerschaft an.
Der Taufengel – Die schwere der Sünde und die Leichtigkeit des Seins
Häufig sind Taufengel sehr ernst dargestellt. Ihre Gesichtszüge machen den Ernst der Taufe deutlich. Häufig werden Taufeengel auch auf ihren Knien dargestellt. Die Taufschale wirkt dann wie eine schwere Last. Diese Taufengel verdeutlichen die Schwere der Sünden, die bei der Taufe abgewaschen werden. Selbst die himmlischen Wesen können diese Last kaum tragen – unmöglich, dass sie ein Mensch trägt!
Der Taufengel von St. Laurentius hat nichts von dieser Schwere. Seine Körperhaltung und sein verschmitztes Grinsen strahlen Leichtigkeit aus. Dieser Taufengel steht nicht für das, was fortgenommen wurde. Er steht für die Leichtigkeit, die das Leben eines Christen haben kann. Es ist nicht deshalb leicht, weil Christen alles in den Schoß fällt. Es ist leicht, weil Christen sich dank ihrer Taufe von Gott getragen wissen. »Gott hat mich bei meiner Taufe als sein Kind angenommen. Er ist bei mir im Leben. Er wird bei mir sein im Tod und er wird mir ein neues und ewiges Leben schenken.« Diese Gewissheit verleiht dem Leben Leichtigkeit. Martin Luther riet jedem Christen, jeden Tag in seine Taufe zurück zu kriechen. Jeden Tag soll sich der Christ auf das Geschenkt besinnen, das Gott ihm bei seiner Taufe gemacht hat. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die das Leben dadurch bekommt, zeigt sich in einem anderen Rat Luthers: Luther empfiehlt, hin und wieder absichtlich zu sündigen, um dem Teufel zu zeigen, dass man keine Angst vor ihm hat.
Vielleicht grinst der Taufengel von St. Laurentius deshalb, weil er auch diese Sünden trägt. Welche Taten auch immer ein Christ begehen mag, wenn er sie bereut und sich auf seine Taufe besinnt, werden auch sie ihm abgenommen. Der Taufengel in St. Laurentius wird auch sie mit Leichtigkeit tragen.
Weitere Informationen
Weitere Informationen zum Taufengel von St. Laurentius und Taufengeln im Allgemeinen finden Sie in dem Buch »Taufengel in Oberfranken« von Helmuth Meißner, herausgegeben vom Colloquium Historicum Wirsbergense 1996.