St. Laurentius ist nach dem Heiligen Laurentius benannt. Eine mit Gold verzierte Figur des Heiligen thronte auf dem Altar, der einst in St. Laurentius stand. Sein Anblick war den Gläubigen wichtig – doch warum? Was ist ein Heiliger?
Wie man ein Heiliger wird
In den vergangenen zwei Jahrtausenden hat sich stark gewandelt, was Menschen unter einem Heiligen verstehen. In den ersten drei Jahrhunderten nach Christus galten einfach diejenigen Christinnen und Christen als heilig, die für ihren Glauben gestorben sind. Bis das Christentum zu einer erlaubten Religion im römischen Reich wurde, wurden die Christen immer wieder verfolgt. Es gab große Verfolgungen, die das ganze römische Reich betrafen. Es gab aber auch immer wieder örtlich begrenzte Verfolgungen. Ab und zu gab es auch Pogrome, bei denen Christen von der aufgehetzten Bevölkerung einzelner Städte und Dörfer getötet wurden.
Heilige waren also ursprünglich nichts anderes als Märtyrer. Diese Menschen starben, weil sie Christinnen und Christen waren. Die Menschen, die man als Heilige verehrte, hatten oft selbst angesichts ihres Todes ein beeindruckendes Gottvertrauen. Sie ließen sich lieber foltern und töten, als ihren Glauben zu verraten. Sie ertrugen ihr Leid und starben in der Hoffnung, dass Gott sie mit dem ewigen Leben beschenken wird.
In der Antike war man überzeugt, dass Menschen, die für ihren Glauben starben, von Gott eine besondere Belohnung erhalten: Sie kommen nach ihrem Tod direkt in den Himmel. Während alle anderen Menschen nach ihrem Tod erst einmal tot bleiben bis zur Auferstehung der Toten am jüngsten Tag, kommen Märtyrer direkt in den Himmel. Dort sind sie Gott besonders nahe.
Wie Laurentius zum Heiligen wurde
Laurentius war im dritten Jahrhundert Diakon in Rom. Er verwaltete das Vermögen der Gemeinde. Seine Aufgabe war es, von dem Geld, das die Gemeindeglieder spendeten, die Kranken, Witwen und Waisen in Rom zu versorgen. Als der Kaiser von Laurentius verlangte, das Geld herauszugeben, weigerte er sich. Für ihn wäre das einem Verrat gleichgekommen an seinem Glauben und an den Menschen, die er mit dem Geld unterstützte. Laurentius ertrug tapfer, dass man ihn folterte und tötete. Er wusste, er ist Christus treu geblieben und wird dafür im Himmel belohnt werden.
Die Heiligen als Vorbilder, Trost und Fürsprecher
Die Heiligen waren für die Gläubigen jahrhundertelang sehr wichtig. Zum einen waren sie Vorbilder. Die Heiligen waren Menschen, die ihren christlichen Glauben konsequent angesichts lebensbedrohlicher Umstände gelebt haben. Die Flügel des Altars, der einst in St. Laurentius stand, waren mit den wichtigsten Szenen aus dem Martyrium des Heiligen Laurentius bemalt. (Eine genaue Beschreibung der Altarflügel finden Sie hier.) Wenn die Menschen in die Kirche kamen, sahen sie die Bilder von seinem Einsatz für die Hilfsbedürftigen und von seinem unerschütterlichen Glauben. Die Menschen sahen sie und begriffen: »Wenn dieser Mensch das kann, kann ich das auch.«
Die Heiligen waren aber auch ein wichtiger Trost für die Gläubigen. Die 130 cm große Figur des Heiligen Laurentius aus der Werkstatt von Tilman Riemenschneider, die einst auf dem Altar stand, war prächtig gestaltet. Sie war mit viel Blattgold bedeckt und mit leuchtenden Farben bemalt. Der Grund dafür ist nicht die Prunksucht der damaligen Priester und Bischöfe. Die Figur sollte etwas von der himmlischen Herrlichkeit abbilden. Die Gläubigen sollten an der leuchtenden Heiligenfigur sehen, wie gut es Laurentius im Himmel geht. Laurentius ist Gott ganz nah und Gottes herrlicher Glanz lässt auch Laurentius erstrahlen. Dieser Anblick war ein Trost für die Menschen. Das Leben der Gläubigen war auch oft hart und manchmal zum Verzweifeln. Am Glanz der Heiligenfigur sahen sie die himmlische Herrlichkeit, die sie einmal erwartet, wenn sie nur an Christus festhalten.
Für die Gläubigen waren die Heiligen aber auch wichtige Fürsprecher. Man wusste ja, dass die Heiligen im Himmel Gott ganz nahe sind. Außerdem hatten sie alle im Leben Schlimmes erlitten. Die Heiligen müssten also gut verstehen, wie es den Gläubigen geht, und mit den Gläubigen mitfühlen. Darum klagten die Gläubigen den Heiligen ihr Leid und baten sie darum, bei Gott für sie einzutreten. Die Heiligen wurden so zu einer Art Mittler zwischen Gott und den Gläubigen. Die Gläubigen wandten sich immer an diejenigen Heiligen, die ein ähnliches Schicksal hatten, wie sie selbst. Laurentius starb, als ihn der Kaiser über glühenden Kohlen grillen ließ. Viele Menschen, die beruflich mi Feuer zu tun hatten, wandten sich darum an ihn, z.B. Bäcker, Köche, Glasbläser usw. Aber auch viele Menschen mit Brandverletzungen oder anderen Hautkrankheiten baten Laurentius um Fürbitte. In Zeiten der Pest, einer Krankheit, die große Pestbeulen auf der Haut verursacht, wandte man sich ebenfalls an Laurentius. Die Pest dürfte der Grund sein, warum die Kirche in Wonsees St. Laurentius heißt. Die Pest wütete in der Region nämlich immer wieder sehr stark.
Die Heiligendarstellungen – als Bilder oder als Figuren – waren in erster Linie also Seelsorge für die Menschen. Sie ermutigten zu glauben und trösteten in Not.
Die Heiligen in der evangelischen Kirche
In der Anfangszeit der Reformation wurden viele Bilder und Figuren von Heiligen zerstört. Die Gründe dafür waren verschieden. Mancherorts war es die Wut darüber, dass zu viel Geld für diese Figuren verschwendet worden war. Andernorts waren es theologische Bedenken. Man lehnte die Vorstellung ab, dass Heilige ein Mittler zwischen Gott und den Gläubigen sein könnten. Manche lehnten auch Bilder generell ab, da das erste Gebot, sie verbietet. Andere sahen in den Heiligen Götzen und mahnten, dass man nur zu Gott beten und ihn verehren soll.
Luther selbst hat diesen Bildersturm abgelehnt. Die Heiligenbilder hielt er für nützlich als Vorbilder und zum Trost. Dass die Heiligen Fürsprecher für die Gläubigen sein könnten, lehnte er aber strikt ab. Jeder kann selbst direkt zu Gott beten und Gott hört jedes Gebet.
Dennoch verloren die Heiligen in der evangelischen Kirche in der Folgezeit schnell an Bedeutung. Die Reformation hatte den Gläubigen Christus wieder nähergebracht. Sie fürchteten Christus nun nicht mehr als Richter, sondern sahen in ihm den Erlöser, der für ihre Sünden gestorben ist. Die Gläubigen wandten sich nun im Gebet direkt an Christus, sie nahmen sich jetzt sein Leben und seine Standhaftigkeit im Leiden zum Vorbild und sie fanden nun Trost in seiner Auferstehung. Christus war an die Stelle der Heiligen getreten. Die Heiligenfiguren verschwanden darum aus den Kirchen. Sie wurden nicht mehr gebraucht. Leider ging man oft sehr verächtlich mit ihnen um. Sie wurden weggeworfen oder auf Dachböden dem Verfall preisgegeben. So erging es auch der Figur des Heiligen Laurentius, die einst auf dem Altar in St. Laurentius stand. Irgendwann entdeckte man sie wieder auf dem Dachboden des Gemeindehauses. Doch da war ihr Glanz komplett verloren.