Als 1937 ein Denkmal an der Kirche aufgestellt wurde, hielt ein ehemaliger Wonseeser Pfarrer eine Rede. War es eine Rede gegen den Nationalsozialismus?
Denkmal zur Erinnerung an den Zedersitzer Mord
Bei der Renovierung von St. Laurentius im Sommer 1937 wurde an der Westseite des Kirchturms ein Denkmal aufgestellt. Es erinnert an die Opfer des sog. »Zedersitzer Mordes«, 15 Männern der Ortschaft Zedersitz, die im Dreißigjährigen Krieg brutal ermordet wurden. Nach dem Abschluss der Renovierungsarbeiten wurde St. Laurentius am Kirchweihsonntag, dem 19.9.1937, mit einem großen Festgottesdienst wieder eingeweiht. Zur Feier angereist waren neben dem Regionalbischof Otto Bezzel auch die früheren Pfarrer Ernst Morenz und Hans Pfister.
Pfarrer Pfister war von 1922 bis 1932 Pfarrer in Wonsees. In dieser Zeit schrieb er ein Theaterstück über den Zedersitzer Mord. Wahrscheinlich hat man ihn deshalb darum gebeten, ein Grußwort zur Einweihung des Denkmals zu sprechen.
Bezüge zu den Ereignissen der 30er Jahre
Pfisters Rede nimmt keinen direkten Bezug auf die Ereignisse der 30er Jahre. Trotzdem kann man seine Rede als Warnung vor der Ideologie des Nationalsozialismus sehen:
Das Bezirksamt Ebermannstadt lobte Wonsees Anfang der 30er Jahre als eine der »Hochburgen der nationalsozialistischen Bewegung«. Viele Wonseeser entfremdeten sich allerdings im Kirchenkampf wieder etwas vom Nationalsozialismus. Damals versuchten die sog. »Deutschen Christen« die evangelische Kirche nach der Ideologie des Nationalsozialismus umzugestalten. Die radikalen Forderungen, z.B. Gleichschaltung der Kirche, Einführung des Führerprinzips und des Arierparagraphen in der Kirche, waren den meisten Wonseeser zu radikal. Allerdings hatten auch die Deutschen Christen in Wonsees ihre Unterstützer. Die Gemeinde war 1933 und 1934 zerstritten und danach tief gespalten.
Pfarrer Pfister erinnert in seiner Ansprache an die »die unersetzliche Herrlichkeit der heiligen christlichen Kirche« und den »Reichtum der Kirche, der uns durch keine irdische Neuerung oder Fortentwicklung ersetzt werden kann«. Ob er dabei direkt an den Nationalsozialismus denkt oder nur an die Deutschen Christen oder beides, lässt sich nicht sagen. Seine Hörer werden seine Sätze vielleicht verschieden interpretiert haben. Es scheint allerdings fast unmöglich, sie nicht auf die oben genannten Ereignisse ab 1933 zu beziehen. Pfister warnt außerdem davor, das göttliche Trostlicht gegen »die vergänglichen Lichter dieser Welt« auszutauschen. Es scheint, als wolle er die Menschen warnen, den Glauben nicht für die Ideologie der Nationalsozialisten, die so viele Menschen – auch in Wonsees – begeistert hat, aufzugeben. Schließlich wird Pfister ganz eindeutig. Sein Appel richtig sich nicht gegen etwas – die Deutschen Christen oder den Nationalsozialismus −, sondern für etwas: den Glauben. »Darum, teure und uns unvergessene Gemeinde, im Gedenken an eure Toten und an unseren eigenen Tod laßt uns festhalten am alten Glauben, der die Väter tröstete.«
Die Denkrede von Pfarrer Pfister:
Römer 14,8: Leben wir, so leben wir dem HERRN; sterben wir, so sterben wir dem HERRN. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des HERRN.
»In unser heutiges Feiern soll auch die Predigt der Toten hereinklingen, die um dieses Gotteshaus herum schlafen. Denn dies Haus gehört dem Herrn, des nicht bloß sind, die ihm leben, sondern auch die ihm sterben und gestorben sind. Das ist ja die unersetzliche Herrlichkeit der heiligen christlichen Kirche: Im Hause und Bereich des Lebensfürsten ist der Sünde und dem Tod, die sonst überall unbezwungen herrschen, die Macht genommen. Da heißt es von unseren lieben Toten, die in dem Herrn gestorben sind: Sie sind nicht tot, sie schlafen nur und sind wie wir selber unverlorene Glieder der Gemeinde des Herrn. Ja noch mehr: Wir gehören nur erst zur streitenden Kirche, stehen in viel Kampf, Anfechtung, Schwachheit und Sünde, sie aber sind die triumphierende Kirche, die unverlierbar dem Herrn gehört. Diese Welt- und Todesüberwindung ist der ewige unersetzliche Reichtum der Kirche, der uns durch keine irdische Neuerung oder Fortentwicklung ersetzt werden kann. Würden wir das zulassen, dann würden wir ja an Stelle des ewigen göttlichen Trostlichtes der Kirche die vergänglichen Lichter dieser Welt setzen und die armen Seelen um ihr Letztes und Bestes betrügen.
Im Schatten eures lieben, altehrwürdigen Gotteshauses, in der Geborgenheit des alten, heute so viel angefochtenen Glaubens ruhen hier viele Geschlechter. Wir wollen sie nicht aus dieser Heilsgeborgenheit herausreißen lassen. Darum, teure und uns unvergessene Gemeinde, im Gedenken an eure Toten und an unseren eigenen Tod laßt uns festhalten am alten Glauben, der die Väter tröstete.
Ihr habt hier an der Kirche einen Denkstein angebracht zur Erinnerung an eine Zeit größten Jammers und zur Erinnerung an jenen Tag furchtbaren Herzeleides, da man die vielen Zedersitzer Särge hier versenkte. Deutschland hätte den Jammer des 30 jährigen Krieges nicht überwunden ohne den Glauben an den Lebensfürsten und Todesüberwinder und sonderlich diese damals so schwer geprüfte Gemeinde wäre ohne die Geborgenheit beim Herrn vergangen in ihrem Elende. Der Jammer, an den uns dieser Stein erinnert, ist aber nur ein besonders herzbeweglicher Ausschnitt aus dem vielen Jammer und Herzeleid, das unausweichbar fort und fort hinter dem Menschenleben steht. Es ist nicht wahr, dass wir künstlich das Leben zum Jammertal machen. Das Leid ist in tausendfältiger Gestalt da und ohne Christus gibt es keinen wirklichen Ausweg daraus. Wieviel allgemeines und öffentliches Leid mußte seit jener großen Tränenzeit schon durchgekämpft werden. Das Kriegerdenkmal hier vor uns, das wir nun eben vor 15 Jahren eingeweiht haben, hält uns ja auch eine laute Predigt davon. Und wieviel persönliches Leid mußte schon heraufgetragen werden auf diesen Kirchenhügel! Wie oft sind wir, eure früheren Geistlichen, vor euren Leichenzügen hier heraufgezogen und hinter uns zogen zerschlagene Herzen, die wir nur trösten konnten mit dem alten unverkürzten Christentrost: Christus der ist mein Leben, Sterben ist mein Gewinn. Viele stehen vor meinem geistigen Auge wieder auf, mit ihren letzten Leiden und Nöten, wenn ich hier diese Gräberreihen überschaue und wieviele hat man seitdem hier versenkt. Für all das, was als letzter dunkler Ernst unausweichbar hinter dem Leben steht, gibt es für uns alle nur eine wahre Hilfe: Des Herrn sein, zum Hause des Herrn gehören.
So sei euch dieser Denkstein eine ernste Erinnerung an die Größe des Weltleides, über das wir uns wohl eine Zeitlang wegtäuschen können, dem wir aber nicht entrinnen können. Daß aber dieser Denkstein sich an die Kirche lehnt, sei euch die Erinnerung daran, daß nur die feste Anlehnung an das alte Christenheil uns Leidüberwindung und Frieden gibt. Der Tröster, der heilige Geist, mache an dieser Stätte der Toten das Wort des Heilandes in uns recht lebendig: In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden. Amen.«