1808 und 1809 vergiftete Anna Zwanziger in der Gegend um Wonsees mehrere Personen. Liebe und Wahn trieb sie zu immer auffälligeren Verbrechen. Auf dem Friedhof um St.- Laurentius erinnert noch immer ein Grabstein an eines ihrer mutmaßlichen Opfer.
Reichtum und sozialer Abstieg
Anna Margaretha Zwanziger, geborene Schönleben, kam 1760 in Nürnberg zur Welt. Ihre Eltern hatten es mit ihrem Gasthaus in Nürnberg zu bescheidenem Wohlstand und Ansehen gebracht. Beides sollte Anna erben, als sie mit fünf Jahren Vollwaise wurde.
Mit 18 heiratete Anna einen Nürnberger Notar. Annas Gatte führte sie in ein ausschweifendes Leben in der Nürnberger Gesellschaft ein. Innerhalb weniger Jahre brauchten die beiden so das geerbte Vermögen komplett auf. Jetzt verkaufte Anna Zwanziger ihren Körper an die feinen Herren Nürnbergs. 1796 starb ihr Mann an den Folgen seiner Alkoholsucht.
Zwanziger rutschte immer weiter ab. In halb Europa nahm Anna Zwanziger Stellen an. Zunächst noch als Haushälterin, später nur noch als Kindsmagd. Zeitweise wurde sie von ihren Affären, darunter Diplomaten und Freiherrn, unterstützt. Aber keiner dieser Herren wollte sich fest an Zwanziger binden. Daran änderten auch mehrere fingierte Selbstmordversuche nichts. Am Ende landete Zwanziger in als Dienstmagd in Weimar. Dort hat sie den Hausherrn bestohlen und wurde fortan mit Steckbrief gesucht. Sie nahm wieder ihren Geburtsnamen an und tauchte zunächst in Neumarkt in der Oberpfalz unter. Sie begann eine Affäre mit einem General, der sie aber nicht heiraten wollte. Als sie eine Schwangerschaft vortäuschte, brach er den Kontakt zu ihr ab. Anna Zwanziger kam nun nach Kasendorf bei Wonsees.
Sozialer Aufstieg durch Giftmord
1808 kam Anna Zwanziger unter dem Namen Nante Schönleben nach Kasendorf. Dort arbeitete sie als Haushälterin für den Justizamtmann Wolfgang Konrad Glaser. Glaser hatte sich kurz zuvor von seiner Ehefrau Elisabeth getrennt und war nun froh, mit Zwanziger eine eifrige Haushaltshilfe zu haben.
Anna Zwanziger aber hatte größere Ziele. Sie wollte selbst Glasers neue Gattin werden. Dazu dachte sie sich einen raffinierten Plan aus: Sie drängte Glaser, sich wieder mit seiner Ehefrau zu versöhnen. Dann vergiftete sie Frau Glaser mit Arsen. Nun wollte sie Glaser trösten und hoffte darauf, dass Glaser Gefühle für sie entwickeln würde. Zwanzigers Plan ging allerdings nicht auf. Bald nach dem Tod seiner Frau entließ Glaser Zwanziger aus seinem Dienst.
Damals ahnte noch niemand etwas von Zwanzigers Verbrechen. Vielleicht hätten Glaser oder andere etwas ahnen können. Bevor es Zwanziger nämlich gelungen ist, die Hausherrin zu vergiften, gab es mehrere gescheiterte Mordversuche. Mit einer zu geringen Dosis Arsen löste Zwanziger nur schwere Übelkeit und Krämpfe bei Frau Glaser aus.
Enttäuschte Liebe oder blinder Wahn?
Nach ihrer Entlassung trat Anna Zwanziger in den Dienst des Justizamtmanns Johann Georg Friedrich Christian Philipp Gromann in Sanspareil. Der 37-jährige war deutlich jünger als sie. Dennoch buhlte Zwanziger um Gromanns Gunst in der Hoffnung auf eine Ehe.
Anna Zwanziger kümmerte sich fürsorglich um den ständig kranken Gromann. Gleichzeitig versuchte sie, alle anderen Menschen von ihm fernzuhalten. Lorenz und Johann Dorsch waren Zwanzigers erste Opfer im neuen Haushalt. Sie waren zwei Gerichtsdiener, die gut mit Gromann vertraut waren und sich stets um ihn sorgten. Zwanziger mischte den beiden kleine Mengen Arsen ins Bier, die nicht tödlich waren, aber große Übelkeit auslösten. So versuchte Zwanziger, die beiden zu vertreiben. Immer wieder klagten auch andere Gäste, die ins Haus kamen, anschließend über Übelkeit und Erbrechen. Nur Gromann selber wurde von Zwanziger verschont. Er litt lediglich unter ihrer Zudringlichkeit und beschwerte sich in Briefen, über Zwanzigers Eifersucht.
Das änderte sich, als Gromann Zwanzigers Zuneigung zurückwies. Er zeigte deutlich, dass er kein Interesse an ihr hatte. Stattdessen plante er seine Hochzeit mit der Tochter eines Kollegen. Nur wenige Tage nachdem Anna Zwanziger davon erfahren hatte, litt Gromann unter Übelkeit und schweren Krämpfen. Kurz darauf starb er. Gromanns Grabstein steht noch heute auf dem Friedhof Wonsees, direkt am Wegrand neben dem Kirchturm von St. Laurentius.
Nach Zwanzigers Verhaftung wurde Gromanns Leichnam exhumiert. Die Mediziner, die ihn untersuchten, vermuteten einen Tod durch Arsen, konnten ihn allerdings nicht hundertprozentig nachweisen. Anna Zwanziger stritt ab, Gromann vergiftet zu haben. Die Ermordung Gromanns konnte ihr darum nie nachgewiesen werden.
Ohne jedes Maß
Nach Gromanns Tod kam Anna Zwanziger als Dienstmagd in den Haushalt seines Kollegen Georg Wilhelm Gebhard in Sanspareil. Dessen Frau Margaretha Barbara Sabine Gebhard erholte sich gerade von der Geburt ihrer Tochter wenige Tage zuvor. Anna Zwanziger verfolgte denselben Plan wie schon zweimal zuvor. Sie vergiftete Frau Gebhard, um anschließend ihren Platz einzunehmen.
Nach dem Tod von Margaretha Gebhard vermutete zunächst niemand ein Verbrechen. Herr Gebhard bat Anna Zwanziger darum, in seinem Dienst zu bleiben und den Haushalt zu führen. Anna Zwanziger aber kannte kein Maß mehr. Ständig mischte sie Gästen kleine Mengen Arsen in Essen und Trinken. Selbst ganze Festgesellschaften vergiftete sie. Nun war offensichtlich, dass sie etwas mit all diesen Fällen zu tun haben musste. Als sie daraufhin von Gebhard entlassen wurde, rächte sich Anna Zwanziger. Vor ihrer Abreise vergiftete sie die Tochter Gebhards und zwei Hausmädchen. Letztere hatten Zwanziger dabei erwischt, wie sie etwas in das Salzfass in der Küche mischte.
Die Hausmädchen überlebten und erzählten Gebhard von dem, was sie gesehen hatten. Ein Apotheker untersuchte das Salzfass und stellte fest, dass das Salz mit Arsen versetzt war. Dennoch unternahm Gebhard lange Zeit nichts. Erst drei Wochen später erstattete er Anzeige.
Anna Zwanziger wurde verhaftet. Bald stellte sich heraus, dass sie steckbrieflich gesucht wurde. Bei zwei der drei exhumierten Leichen wurde große Mengen Arsen festgestellt. So wurde Anna Zwanziger für zwei Morde zum Tode verurteilt. Ihre Hinrichtung am 17. September 1811 in Kulmbach war die letzte, die öffentlich in der Stadtmitte durchgeführt wurde.
Die königlich-baierische Nationalzeitung berichtet am 23. Oktober 1811 ausführlich über Anna Zwanziger. Als Grund für ihre Verbrechen nennt sie den »herrschenden Zeitgeist, Hang zu sinnlicher Ausschweifung und das Lesen elender Romane (Link)«.
Mehr zu Anna Zwanziger
Anselm Ritter von Feuerbach, Merkwürdige Verbrechen in aktenmäßiger Darstellung. Erster Band, Georg Friedrich Heyer Verlag, Gießen 1828
Benedikt Grimmler, Fränkische Verbrecher. Die spannendsten Kriminalfälle 1330−1975, Sutton Verlag, Erfurt 2005